Gedanken einer Palme

Juni 2014

Hi!

Mir gehts nicht so gut. Ich wurde aus der Küche verbannt, hatte in der Zwischenzeit eine kleine Krankheit und bin seit ein paar Monaten Mutter, mein Ableger teilt nach wie vor meinen Topf mit mir.

Der Ort hier hat sich sehr verändert, alle sind extrem nervös geworden. Ich verstehe ja inzwischen auch ein bißchen mehr als früher. Anscheinend sind alle Personen um mich herum quasi auf Abruf hier beschäftigt. Anstatt zu arbeiten, schreiben sie Verlängerungsanträge. Inzwischen weiß ich auch, dass sich das Ganze hier »Exzellenz-Cluster« nennt. Ich seh nix von Exzellenz. Mittelmäßige Forschung, die sich einen Dreck um bisherige Forschungen kümmert.

Entschuldigt, bin, wie gesagt, schlecht drauf. Ich wurde seit Oktober des vergangenen Jahres nicht mehr gegossen. Naja, ich kann das ab, aber mein Ableger? Was einen nicht umbringt, macht einen hart. Ein wichtiger Mensch hat zu einem Workshop aufgerufen: »Transversalität und Problemorientierte Konvergenzen«. Das sieht mir sehr nach einem Stellenabbauvorbereitungsprogramm aus. Wo gibt es Konvergenzen heißt im Klartext: Reicht doch, wenn einer daran forscht.

Die Transversale einer Anzahl von Mengen ist eine Menge mit exakt einem Element aus jeder dieser Mengen. Ebenfalls ein »Reicht doch, wenn einer aus jedem Gebiet daran forscht«.

Das Experiment hier läuft anders als sich das die Leute vorgestellt haben. Mir ist das egal. Ich bin eine Palme. Holt mich bitte nur rechtzeitig hier raus.


Juli 2013

Ich hatte noch nie einen Internetanschluss. Wie würde das denn auch aussehen! So als Palme. Zugegeben, hier in Berlin-Mitte würde ich damit vielleicht gar nicht weiter auffallen, zumal ich immer einen Frappucchino Vanilla Special auf dem Tisch vor mir stehen habe. Andere Pflanzen haben Schneckenfallen, ich schütze mich vor Blicken. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass der Innenarchitekt hier etwas gegen Topfpflanzen hat. Er hat es selbst in meiner Gegenwart gesagt, hier am Küchentisch. Er schaut mich auch immer schief an, wenn er da ist. Das ist zum Glück nicht allzu oft.

Nee, aber so als Palme mit Internetanschluss... Was kommt als nächstes? Twitter? Langweilig, das gibt es ja schon mit Spatzen, Kaffeemaschinen und Politikern. Aber so eine klassische Homepage, ja, das ist was für ne 16 Jahre alte Palme – das ist fast schon ein biblisches Alter für eine Büropflanze. Ich dachte ja nicht, dass ich den Umzug überlebe. Zumal der Innenarchitekt mich wirklich auf dem Kieker hat.

Nun gut, das waren die Gedanken für den Juli 2013. Wenn ich nächsten Monat wieder gegossen werde, gibts ein wenig Lästereien, die ich in der Küche so aufschnappe.

Machts gut (und danke für den Fisch)! -- Pal